Ist das Unterdach undicht?
Mit dieser Frage wenden sich besonders im Herbst und Frühjahr Verarbeiter an unsere technische Hotline. Feuchte Stellen bilden sich auf der Unterseite der diffusionsoffenen Unterdachbahn und es tropft zum Teil auf die Geschossdecke hinab. Verständlich, dass der Handwerker an einer ausreichenden Regendichtheit des ausgeführten Unterdaches Bedenken hat.
Wie kommt es zu dieser Feuchte?
Grundsätzlich gleichen sich der Konstruktionsaufbau bei den «reklamierten» Dächern. Die Feuchte bildet sich auf der noch sichtbaren Unterseite der Dachbahn bei einem nicht bis zum First ausgedämmten Dachraum. Diese Steildächer werden nur bis zur Kehlbalkenlage ausgebaut und gedämmt. Der so entstehende Spitzboden bleibt ungedämmt und wird meist als zusätzlicher Abstellfläche genutzt und bleibt daher «kalt». Der Dachraum ist über eine Bodenluke (meist mit integrierter Leiter) zugänglich. Und die feuchten Stellen werden entdeckt, wenn zum Beispiel der Adventsschmuck vom Dachboden geholt wird.
Und woher kommt die Feuchte?
Die Entwarnung zuerst: Das Unterdach ist nicht undicht. Wie oft in unseren Blogbeiträgen dreht sich alles um den spannenden Punkt: Diffusion vs. Konvektion. Bei der Feuchtigkeit an der Unterseite der Unterdachbahn handelt es sich um Tauwasser. In nicht ausgebauten Spitzböden kann es zu einem Tauwasserausfall kommen, wenn feuchtwarme Raumluft durch Undichtheiten, z. B. einer nicht luftdichten Bodenluke in den kalten Dachraum strömt. Diese Luftströmung kann in der kühleren Jahreszeit zu Tauwasser führen. Die Raumluft strömt zur Unterdachbahn und Feuchtigkeit schlägt sich dann an der Unterseite der Unterdachbahn nieder, tropft auf die Geschossdecke ab oder es bildet sich bei entsprechend tiefen Außentemperaturen Raureif oder sogar eine Eisschicht auf der Unterdachbahn.
Das sollte doch eine diffusionsoffene Unterdeckbahn verhindern?
Ja, aber nur zum Teil! Die Erwartung ist, dass die anfallende Feuchte auf dem Weg der Diffusion gänzlich durch die diffusionsoffene Unterdachbahn nach aussen abgeführt werden kann. Gerade im Herbst und Winter stellen sich im Tagesverlauf im Spitzboden stark unterschiedliche Temperaturen ein. Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht von bis zu 20° Kelvin sind denkbar. In der Nacht kühlt die Dachhaut durch die tieferen Aussentemperatur auf ein Temperaturniveau weit unterhalb der Raumtemperatur ab. Die Folge ist ein Tauwasserausfall an der Unterseite der Unterdachbahn und den angrenzenden Sparren.
Ein Rechenbeispiel:
Luft kann abhängig von der Temperatur mehr oder weniger Wasserdampf aufnehmen. Unsere 20°C warme Raumluft kann zum Beispiel rund 17 g/m³ speichern. Lesen wir auf einem Hygrometer eine relative Luftfeuchtigkeit von 50 % ab, entspricht dies einer absoluten Wasserdampfmenge von 8,5 g/m³.
Kühlt die Temperatur im Dachraum auf 5°C ab, dann kann diese „kalte“ Luft maximal 6,8 g Wasser pro m³ Luft aufnehmen. Bei einem nicht ausgebauten Spitzboden mit einem Volumen von 30 m³ sind das ca. 200 g Wasser. Beachten wir, dass durch eine 5 mm breite und 1 m lange Fuge an einer nicht ausreichend luftdichten Bodenluke pro Tag mehrere Liter Wasser in den Spitzboden hinaufströmen können. In kürzester Zeit ist die kühlere Dachraumluft gesättigt und die überschüssige Feuchte kondensiert an den kalten Bauteilen wie Sparren und Unterdachbahn aus. Und diese Feuchtemenge kann mit der diffusionsoffenen Unterdachbahn nicht ausreichend schnell und im erforderlichen Umfang auf dem Weg der Dampfdiffusion nach aussen in die Hinterlüftungsebene zwischen Unterdach und Dacheindeckung abgeführt werden.
Was wäre die Lösung?
Mit einer Dämmung bis in die Firstspitze kann das Problem von vorneherein vermieden werden. Ein Mehraufwand, der sich lohnt. Eine durchgehende luftdichte Ebene im Dachgeschoss sorgt für eine dauerhaft schadensfreie Konstruktion und schafft zusätzlich eine energetische Optimierung des Gebäudes.
Ebenfalls lohnt sich ein Blick in die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks. Sollte der Dachraum ungedämmt bleiben, müssen unbedingt die Hinweise im Merkblatt „Wärmeschutz bei Dach und Wand“ des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) berücksichtigt werden. Bereits in den Planungshinweisen des Regelwerks wird zur Vermeidung von zu hohen Feuchtebelastungen auf eine ausreichende Querlüftung oder Firstentlüftung eines ungedämmten Dachboden hingewiesen.
Jörg Wollnow
Er ist ausgebildeter Zimmermann und diplomierter Holztechniker, der seit über 20 Jahren am Thema Luftdichtheit kleben geblieben ist. Er hat schon über 30’000 Fachleute zu Luftdichte-Handwerkern und -planern ausgebildet. Er arbeitet bei SIGA als Application Eingineer.